April 08, 2025

Das Jahr 2024 im Rückblick

Ein Interview mit Borealis CEO Stefan Doboczky und Finanzvorstand Daniel Turnheim

Stefan Doboczky: Sie wurden Anfang Juli 2024 zum CEO von Borealis ernannt. Was ist Ihnen in den Monaten seither besonders aufgefallen? Wie haben Sie sich in Ihre neue Rolle eingearbeitet?

SD: Bei der Besichtigung unserer Standorte und dem Kennenlernen von Borealis-Mitarbeitern auf der ganzen Welt fällt mir vor allem auf, wie tief die „B-Safe“-Mentalität in all unseren Betrieben verankert ist. Die Sicherheit steht bei uns immer an erster Stelle, nur so erreichen wir unser oberstes Ziel „Zero Harm“: die vollständige Beseitigung von Unfällen und Sicherheitsvorfällen. Im Jahr 2024 haben wir hier erhebliche Fortschritte erzielt, indem wir beispielsweise unsere Gesamtrate der meldepflichtigen Verletzungen (Total Recordable Incident Rate, TRI) auf 3,8 verbessert haben.

Besonders beeindruckt bin ich von unseren hochqualifizierten und ausgeprochen motivierten Mitarbeitern.

Stefan Doboczky 001 2024 Borealis

Letztlich sind es der Einsatz, das Engagement und die Innovationskraft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns als Unternehmen zu nachhaltigem Wachstum in unseren Kerngeschäftsfeldern und zur Nutzung neuer Marktchancen rund um den Globus verhelfen werden.

Borealis CEO Stefan Doboczky

Borealis hält weiterhin eine Spitzenposition im Europäischen Patentindex und unterstreicht damit unser unermüdliches Engagement für Innovation. Es ist diese Innovation, die unseren Kundinnen und Kunden Spitzenprodukte bietet, mit denen auch sie ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen können. Die Widerstandsfähigkeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den letzten Jahren auf die Probe gestellt wurde, wird auch in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein, wenn die petrochemische Industrie sich in einem stark veränderten Marktumfeld bewegt.

Daniel Turnheim, wie würden Sie als CFO von Borealis die finanzielle Leistung des Unternehmens im Jahr 2024 beschreiben, insbesondere angesichts der anhaltenden Herausforderungen des Marktes und der Branche?

Daniel Turnheim 002 2023 Borealis

Insgesamt hat sich unsere finanzielle Leistung im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert. Unser Nettogewinn stieg von dem Rekordtief des letzten Jahres von 159 Millionen Euro auf 566 Millionen Euro.

Daniel Turnheim, Borealis CFO

DT: Insgesamt hat sich unsere finanzielle Leistung im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert. Unser Nettogewinn stieg von dem Rekordtief des letzten Jahres von 159 Millionen Euro auf 566 Millionen Euro. Die verbesserten Ergebnisse sind zum Teil auf eine stärkere Leistung der Borealis Geschäftsbereiche, Polyolefins und Base Chemicals zurückzuführen. Ein höherer Beitrag des Nettoergebnisses aus nach der Equity-Methode bilanzierten Beteiligungen spielte ebenfalls eine Rolle. Das Programm Strong Foundation - Performance Excellence (SFPE), das im Jahr 2022 gestartet wurde, um die negativen Auswirkungen des Branchenabschwungs abzumildern, hat sich als äußerst effektiv erwiesen und zu erheblichen Fixkosteneinsparungen geführt, die allein im Jahr 2024 zu nachhaltigen EBIDTA-Verbesserungen in Höhe von rund 240 Millionen Euro führte.

Wie hat sich die anhaltende Marktunsicherheit auf den Absatz von Polyolefinen in den verschiedenen Geschäftsbereichen ausgewirkt?

DT: Obwohl die Nachfrage nach Polyolefinen in der ersten Jahreshälfte von 2024 leicht anstieg, litt der Markt weiterhin unter einem Überangebot an günstigen Kunststoffen – vor allem aus China - und einer lauen Nachfrage in vielen Geschäftsbereichen. Trotz dieses Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage konnten wir unseren Gesamtabsatz im Jahr 2024 um 11 % und auf 3,87 Millionen Tonnen Polyolefine steigern. Die starke Nachfrage nach ausgewählten Hochspannungsanwendungen trieb den Absatz von Borealis Energy und Mobility und glich die weniger robuste Nachfrage in anderen Geschäftsbereichen wie Consumer Products und Healthcare aus.

SD: Gemeinsam mit Borouge erweitern wir unsere Produktionskapazitäten für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungen (HGÜ). Unsere Draht- und Kabelinnovationen, einschließlich unserer HVDC-Borlink™-Technologie, sind der Schlüssel zur Ermöglichung der grünen Energiewende.

Wird aus Sicht der Industrie genug getan, um den European Green Deal zu ermöglichen?

SD: Ich spreche wohl für die Branche wenn ich sage, dass der Green Deal der EU bestenfalls ein begrenztes Geschäftsmodell war. Der kürzlich vorgestellte Clean Industrial Deal ist eine direkte Reaktion auf die Antwerp Declaration der Industrie und scheint ein Schritt in die richtige Richtung zu sein, hin zu einem unternehmensfreundlicheren Umfeld. Die europäischen Hersteller sind durch höhere Energie- und Produktionskosten, direkten und indirekten Importdruck und niedrigere Betriebskosten benachteiligt. Was die europäische petrochemische Industrie braucht, ist ein Rahmen, in dem wir kosteneffizienter arbeiten können. Ein weniger schwerfälliges regulatorisches Umfeld hätte ebenfalls eine befreiende Wirkung. Umfangreichere EU-Investitionen in die Anbindung erneuerbarer Energien und ein geringerer bürokratischer Aufwand würden die Green Transition beschleunigen und der Deindustrialisierung entgegenwirken

DT: Es ist ermutigend, dass der Clean Industrial Deal Maßnahmen zur Förderung von Stromabnahmeverträgen (Power Purchase Agreements, PPAs) enthält, die für unsere eigenen Bemühungen zur Dekarbonisierung entscheidend waren. Unter anderem dank der zahlreichen langfristigen PPAs, die Borealis in diesem und in den vergangenen Jahren unterzeichnet hat, haben wir einen Energie- und Klimameilenstein früher als erwartet erreicht. Seit Ende 2024 sind wir nun in der Lage, bis zu 50 % unserer Produktion in Europa mit erneuerbarer Energie zu versorgen.

Wie können die europäischen Wirtschaftsakteure auf den globalen Märkten am besten konkurrieren?

DT: Die Globalisierung, wie wir sie kennen, scheint im Wandel begriffen zu sein. Doch mit kosteneffizienten Lösungen - einschließlich derer, die im Clean Industrial Deal enthalten sind - könnte die Schwerindustrie in Europa sogar von einer zunehmenden Regionalisierung der Märkte profitieren, sei es für Kohlenwasserstoffe, Polyolefine oder sogar für die Märkte für recycelte Kunststoffe

SD: Dies ist in der Tat ein großartiges Beispiel dafür, wie Borealis ideal positioniert ist, um die neuen Marktchancen für recycelte und erneuerbare Polymere zu nutzen. Die Sorten aus unserem Borcycle™- und Bornewables™-Portfolio tragen dazu bei, Kunststoffe als kohlenstoffarme oder -ärmere Materialien für eine wachsende Zahl von Anwendungen zu positionieren. So sind beispielsweise ab 2024 ausgewählte Typen aus unserem Borcycle™ M-Portfolio mechanisch recycelter Polyolefine von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für die Verwendung in Lebensmittelverpackungen zugelassen worden. Die Borcycle™ M Technologie wird auch in einer halbkommerziellen Polyolefin-Compoundieranlage in Belgien eingesetzt, um aus mechanisch recyceltem Post-Consumer-Abfall hochwertiges Polypropylen und Polyethylen herzustellen.

DT: Im Jahr 2024 haben wir die Übernahme einer fortschrittlichen mechanischen Recyclinganlage in Bulgarien abgeschlossen. Integra Plastics wird eine jährliche Kapazität von 20.000 Tonnen haben, um die wachsende Nachfrage nach dieser Art von nachhaltigen Lösungen zu decken. Sie ergänzt die in den letzten Jahren getätigten Akquisitionen im Bereich des mechanischen Recyclings, wie Rialti in Italien, Ecoplast in Österreich und mtm in Deutschland.

Das letzte Wort haben Sie, Stefan Doboczky. Welchen Kurs schlägt Borealis ein, um die geopolitischen und marktbezogenen Turbulenzen im Jahr 2025 und darüber hinaus zu meistern?

SD: Borealis feierte im Jahr 2024 sein dreißigjähriges Bestehen. Wir sind stolz darauf, ein Kraftwerk der Polymer-Innovation und ein Vorreiter der Branche im Bereich der Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen zu sein. In den letzten Monaten haben wir ein wichtiges Strategie-Update erarbeitet, das auf unserem starken Fundament aufbaut: unsere We4Customers (We4C) Strategie. Diese Weiterentwicklung der Borealis-Strategie 2030 betont unseren Kundenfokus, indem sie die Kundenzentrierung in den Mittelpunkt all unserer Bemühungen stellt.

Die geopolitischen Verhältnisse und die Märkte werden wahrscheinlich auch 2025 und darüber hinaus turbulent bleiben. Unsere Eigentümer, OMV und ADNOC, haben kürzlich eine Vereinbarung unterzeichnet, die den strategischen Zusammenschluss von Borealis und Borouge unter dem neu gegründeten Unternehmen Borouge Group International vorsieht, das zum weltweit viertgrößten Polyolefin-Unternehmen werden soll. ADNOC und OMV haben außerdem vereinbart, dass Borouge Group International nach Abschluss des Zusammenschlusses Nova Chemicals übernehmen wird, um seine Präsenz in Nordamerika weiter auszubauen. Borouge Group International wird einzigartig positioniert sein, um Werte zu schaffen und über den gesamten Zyklus hinweg überdurchschnittliche Aktionärsrenditen zu erwirtschaften, unterstützt durch Synergien und eine starke Pipeline an organischen Wachstumsprojekten.

Wir sind zuversichtlich, dass die neue Borouge Group International als Wachstumsplattform mit Zugang zu den größten und attraktivsten Märkten einen erheblichen und nachhaltigen Wert für unsere Eigentümer und Aktionäre schaffen wird.

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