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Über den Fall Kallo

Mutmaßliche Menschenhandelsaktivitäten durch (Sub-)Unternehmer auf Baustelle der Propan-Dehydrierungsanlage in Kallo, Belgien

Im Jahr 2019 begann Borealis mit dem Bau einer Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) in Kallo, Belgien. Dabei handelt es sich um ein Megaprojekt mit einem Investitionsvolumen von mehr als 1 Mrd. EUR.

Borealis' Kernkompetenz besteht in der Produktion von Chemikalien, und nicht darin, neue Anlagen zu errichten. Das Unternehmen verfügt daher auch nicht über die für ein solches Projekt benötigten Arbeitskräfte, weshalb Borealis 99% der Arbeiten an spezialisierte Ingenieur- und Bauunternehmen ausgelagert hat.

Nach eingehender Prüfung der verfügbaren Unternehmen, die sich auf dieses Arbeitsfeld spezialisiert haben, entschied sich Borealis unter anderem für IREM. Angesichts der Größe und Komplexität des Projekts beauftragte Borealis zudem Tecnimont als EPCm (Engineering, Procurement & Construction Manager) für das Gesamtmanagement sowie die Kommunikation mit allen Auftragnehmern, inklusive IREM.

Im Rahmen der anfänglichen Projektstruktur arbeitete Borealis mit rund 20 wichtigen Auftragnehmern auf der Kallo PDH-Baustelle zusammen. An einem durchschnittlichen Arbeitstag waren bis zu 1.200 Arbeiter auf der Baustelle, wobei es sich bei den meisten davon um Auftragnehmer handelte. Insgesamt waren etwa 1.000 der Arbeitskräfte ursprünglich bei den IREM-Unternehmen und deren Subunternehmern beschäftigt.

Borealis entlohnt seine Auftragnehmer auf der Grundlage von Einheitssätzen für die geleistete Arbeit, und nicht auf der Grundlage von Stundensätzen für die einzelnen auf der Baustelle tätigen Personen, wie es bei dieser Art von Verträgen üblich ist. Die Verträge mit Borealis' Auftragnehmern für die Baustelle in Kallo beinhalten Zahlungsbedingungen, die gänzlich im Einklang mit westeuropäischen Normen stehen.

Borealis wurde erst nach dem Einschreiten der belgischen Behörden Mitte Juli 2022 klar, dass es auf der PDH-Baustelle in Belgien möglicherweise zu Sozialbetrug im großen Stil gekommen war. Die potenziellen Auswirkungen wurden noch deutlicher, nachdem in den Medien besonders alarmierende Berichte über Sozialbetrug sowie mögliche Fälle von Menschenhandel erschienen waren.

Ende Juli 2022 begannen belgische Medien über mutmaßliche Menschenhandelspraktiken der IREM-Gruppe und ihrer Subunternehmer Anki Technologies und Raj Bhar Engineering am Standort Kallo zu berichten, wobei diesen Ausbeutung, unzureichende Entlohnung, fehlende soziale Absicherung und schlechte Wohnverhältnisse vorgeworfen wurden. In den Medien wurde daraufhin behauptet, dass Borealis bereits zwei Monate zuvor über diese groß angelegten Menschenhandelspraktiken informiert worden sei.

Die internen Prüfungen von Borealis ergaben, dass ein Borealis-Mitarbeiter im Mai 2022 zum ersten Mal von Vorwürfen sozialer Missstände in Bezug auf einen IREM-Mitarbeiter erfahren hatte, woraufhin dieser Vorfall der belgischen Sozialinspektion gemeldet wurde. Der Mitarbeiter von Borealis erhielt die betreffenden Informationen über einen privaten Social-Media-Kanal und leitete sofort Schritte in die Wege, um diese Erkenntnisse zu bestätigen.

Borealis’ Reaktion

Borealis toleriert keinerlei Missbrauch und setzt strenge Maßnahmen, um die damit verbundenen Risiken zu mindern. Das Unternehmen drückt den Betroffenen, deren grundlegende Menschenrechte missachtet wurden, sein tiefstes Mitgefühl aus und hat im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten finanzielle Unterstützung angeboten, um den verantwortlichen Organisationen zu helfen und den Betroffenen physische und psychische Unterstützung, eine sichere Unterkunft, Hilfe bei der Erlangung einer offiziellen Arbeitserlaubnis oder auf Wunsch auch einen Ortswechsel zu ermöglichen.

Als Borealis erfuhr, dass eine Untersuchung eingeleitet worden war, bot das Unternehmen den Behörden sofort seine Unterstützung an und stellte diesen alle gewünschten Informationen in vollem Umfang zur Verfügung.Nachdem Borealis über die mutmaßlichen Menschenhandelspraktiken der IREM-Gruppe und ihrer Subunternehmer informiert worden war, wurden sofort folgende Maßnahmen gesetzt:

Borealis richtete ein Krisenmanagementteam unter der Leitung des zuständigen Vorstandsmitglieds Philippe Roodhooft ein, führte gründliche interne Kontrollen durch, veranlasste Prüfungen und Inspektionen bei anderen Auftragnehmern und ergriff zusätzliche Maßnahmen, um das Geschäftsverhalten seiner Auftragnehmer künftig besser überwachen und etwaige Missstände frühzeitig ansprechen zu können.

Borealis forderte zudem interne und externe Stakeholder dazu auf, die Borealis Ethik-Hotline zu nutzen, über die auch Betroffene ihre Anliegen melden können. Alle Meldungen, die bislang über diese Hotline eingingen, wurden mit höchster Priorität und im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen bearbeitet.

Borealis setzte sofort alle Verträge mit den Unternehmen der IREM-Gruppe aus und kündigte diese später auf, da gegen die grundlegenden Vertragsgrundsätze verstoßen worden war. Anschließend schrieb Borealis die betroffenen Aufträge neu aus. Angesichts des Umfangs der Verträge, die Borealis kündigen musste, waren mehr als 1.000 Beschäftigte betroffen und konnten ihre Arbeit auf der Baustelle in Kallo nicht fortsetzen.

Nach sorgfältiger Abwägung vergab Borealis einen Großteil der verbleibenden Maschinen- und Rohrleitungsarbeiten an das Bauunternehmen Ponticelli und führte zudem gründliche soziale Kontrollen auf der Kallo-Baustelle ein, um den nötigen Respekt und die nötige Wertschätzung für die dort tätigen Arbeiter zu gewährleisten. Ab Oktober 2022 wurden die Arbeiten auf der Baustelle schrittweise intensiviert. Die Fortsetzung des Projekts ermöglichte es zahlreichen Arbeitern, auf die Baustelle zurückzukehren, und wird es in Zukunft noch vielen weiteren ermöglichen, zurückzukehren – unter strikter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und im Einklang mit den westeuropäischen Beschäftigungsstandards.

Gegen Ende des Jahres 2022 vergab Borealis die restlichen Elektro- und Instrumentierungsarbeiten an die Firma Equans. Gleichzeitig wurde NAFTO mit weiteren Teilen der noch ausstehenden Maschinen- und Rohrleitungsbauarbeiten beauftragt.

Laufende Information der Stakeholder

Borealis informiert seine Mitarbeiter:innen und externen Stakeholder regelmäßig und transparent über die Vorfälle auf der Kallo PDH-Baustelle. Seit Bekanntwerden der Missstände wurden die Borealis-Mitarbeiter:innen regelmäßig durch Live-Streams der Borealis-Geschäftsleitung in Form von Live-Fragestunden oder Townhall-Meetings, durch Briefing-Pakete, die über das Linienmanagement verteilt wurden, sowie durch im Intranet publizierte Neuigkeiten informiert. Externe Stakeholder wurden über Medieninformationen, Medienarbeit und direkte Informationen, z. B. durch die Vertriebs- und Public Affairs-Teams, auf dem Laufenden gehalten.

Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass sich ähnliche Vorfälle nicht wiederholen

Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse hat Borealis seine Prozesse und Risikominderungsmaßnahmen verstärkt und wird dies auch weiterhin tun. Nach gründlicher Analyse und Rücksprache mit Fachleuten und externen Beratern hat Borealis die folgenden Verbesserungen eingeführt, um neue Maßstäbe zu setzen und zu verhindern, dass es erneut zu vergleichbaren Vorfällen kommt.

  • Social Compliance Management: Borealis hat die neue Position des Group Social Compliance Manager geschaffen, welcher direkt an den Group Compliance & Ethics Officer berichtet. Die neue Rolle dient der Überwachung des ordnungsgemäßen und legalen Geschäftsgebarens der Vertragspartner von Borealis und aller anderen Partner entlang der Lieferkette, zusammen mit Kollegen aus den Bereichen Compliance, Beschaffung und interne Revision. Zusätzlich zur Konzernfunktion hat Borealis zudem einen lokalen Social Compliance Manager in Kallo eingestellt und beabsichtigt, auch an anderen Standorten und bei wichtigen Projekten eigene Social Compliance Manager einzusetzen. Zu deren Aufgaben zählen unter anderem Audits, Stichproben, Untersuchungen, Due-Diligence-Prüfungen, Vertragsprüfungen sowie die Koordination mit den Bereichen Beschaffung, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt, Recht sowie Personal & Kultur.
  • „Speak-up“-Kampagne: Borealis hat seine „Speak-up“-Kampagne intensiviert, um zum Melden von vermutetem oder beobachtetem Fehlverhalten zu ermutigen. Die Kampagne richtet sich speziell an die Beschäftigten von Auftragnehmern, die darin aufgefordert werden, sich im Falle eines solchen Fehlverhaltens direkt an Borealis zu wenden.
  • Verstärkung im Projektmanagement: Borealis hat eine Reihe von Änderungen vorgenommen, um die Qualität seines Projektmanagements weiter zu verbessern.
  • Verbesserung von Prozessen: Die Gruppe hat die Prozesse im Zusammenhang mit Sicherheitsprüfungen, Due Diligence-Verfahren sowie der Überwachung von Partnern entlang der Lieferkette weiter optimiert: Der aktualisierte Prozess umfasst erweiterte Sorgfaltspflichten für Auftragnehmer, die ihre Mitarbeiter:innen an Borealis-Standorte entsenden.
  • Training: Es wurden zusätzliche Schulungen durchgeführt und das Bewusstsein für interne Projektteams und Auftragnehmer geschärft, um die aufgedeckten Probleme anzugehen.

Diese Veröffentlichung ist auch in niederländischer und englischer Sprache erhältlich.

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